Halbgepäckwagen 98 045


Die Fakten
Umbaujahr | 1959 |
Hersteller | AW München-Neuaubing |
Länge über Puffer | 19,5 m |
Gewicht | 30,4 t |
Höchstgeschwindigkeit | 120 km/h |
Anzahl Sitzplätze | 36 |
Drehgestelle | amerikanische Bauform “Schwanenhals” |
Wagennummer | 55 80 82-12 045-9 |
Geschichte
des Halbgepäckwagens 98 045
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Anfang der 50er Jahre besaß die Deutsche Bundesbahn noch viele alte preußische Reisezugwagen, die allerdings stark verschlissen waren und nicht mehr dem Stand des Reisekomforts entsprachen. So wurde in einem beispiellosen Umbauprogramm eine große Anzahl drei- und vierachsiger Reisezugwagen in moderne Nahverkehrswagen umgebaut, wobei der Rahmen der Fahrzeuge erhalten blieb und der Aufbau neu gebaut wurde. So hat unser Fahrzeug noch die alten Schwanenhals-Drehgestelle der preußischen Ursprungswagen.
Die fortan als Umbauwagen bezeichneten Fahrzeuge – es gab sie in den Gattungen AB (1./2. Klasse), B (2. Klasse) und BD (2. Klasse/Gepäckabteil) – waren ursprünglich als Übergangslösung für eine Nutzungsdauer von etwa 25 Jahren konzipiert, bis sie – so die damalige Planung -durch moderne Fahrzeuge ersetzt sein würden. Unser Wagen war zur Bundesbahnzeit in den Direktionen Münster und Hannover beim Heimatbahnhof Osnabrück beheimatet und war ursprünglich ein 2.-Klasse-Wagen mit Gepäck- und Dienstabteil (Gattung BD4yg 531). Er wurde mit den letzten seiner Art in NRW erst 1989 und damit schon mehrere Jahre ” über Soll” ausgemustert und im Ausbesserungswerk Duisburg-Wedau hinterstellt.
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Hier wurde er 1990 aus einer Reihe von Umbauwagen ausgewählt, um für die damalige Museumsbahn im Extertal übernommen zu werden. U. a. besaß er bereits eine durch die Bundesbahn Mitte der 80er Jahre modernisierte Toilette sowie die alten Schwanenhals-Drehgestelle, die damals mit dem bereits vorhandenen B4yg korrespondierten. Die Grundsubstanz war sehr gut. Bei der Ankunft des Fahrzeugs im Extertal waren noch die originalen Beschriftungen vorhanden, ebenso der Innenausbau mit dem original eingerichteten Halbgepäckabteil.
Da die Verwendung im touristischen Museumsverkehr Kompromisse fordert, musste diese historische Gepäckausstattung weichen. Nachdem anfangs vorgesehen war, das Gepäckabteil als “Tanzabteil” zu nutzen, ersetzte der Wagen den damals vorhandenen Güterzugpackwagen Pwghs, der dann auch 1992 abgestellt und 1994 verkauft wurde. Allerdings war die Tanzwagennutzung nur sehr wenig erfolgreich. Spätestens ab 1995 wurde das Gepäckabteil nur noch als Fahrradabteil genutzt, und bei den Nikolausfahrten dient(e) das Abteil grundsätzlich als Vorratslager.
Im Spätsommer 2008 erhielt das Gepäckabteil zwei große Regalanlagen für die bessere Lagerung der Vorräte des Speisewagens. Seitdem ist das Gepäckabteil wichtiger Stützpunkt für die im großen Schwerpunkt durchgeführten Gastro-Fahrten des Vereins. Dadurch ist es allerdings für Fahrgäste nicht mehr zugänglich, weshalb der Wagen seither nur noch am Zugschluss eingestellt wird.
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Das Sitzabteil mit 36 Sitzplätzen ist wie bei allen Wagen mit Tischen nachgerüstet worden. Beide Innenraumhälften wurden mit einer dieselbetriebenen Standheizung ausgestattet, sodass der Wagen autark versorgt ist. In Ergänzung zu der bestehenden elektrischen Anlage wurde die bei der LEL übliche 230V-Versorgungsleitung durch den Wagen verlegt, um ihn mit dem Dieselgenerator speisen zu können, ebenso eine Lautsprecherleitung. Die sanitären Anlagen sind komplett original.
Wie alle anderen Reisezugwagen der LEL ist auch dieser Eilzugwagen für 120 km/h Höchstgeschwindigkeit in ganz Deutschland zugelassen. Einmalig dürfte jedoch sein Einsatz als “Quasi-Steuerwagen” bei der Eröffnung des neuen Haltepunkts Lemgo-Lüttfeld im Jahre 2007 gewesen sein, mit einem zweiten Lokführer und Funkverbindung zur in Richtung Barntrup schiebenden Dampflok. Ein Handentlüftungsventil für die Druckluftbremse ist im Zugführerabteil original vorhanden. Erneut auf diese Betriebsform zurückgreifen musste man notgedrungen bei einer Nikolausfahrt in einem der Folgejahre, als starke Schneeverwehungen die Nutzung des Umfahrungsgleises in Alverdissen unmöglich machten – auch dieser Einsatz war erfolgreich.
Wagenpatin ist die Gemeinde Dörentrup.
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Die ehemals gute Grundsubstanz litt mit der Abstellung im Freien und der Nutzung des Wagens über ein Vielfaches seiner ursprünglich konzipierten Lebensdauer hinaus – Teile des Fahrwerks sind mittlerweile schätzungsweise über 100 Jahre alt – zunehmend. Trotzdem ist der “BDy” aus dem Stammzug nicht wegzudenken, zumindest dann nicht, wenn mit umfangreichem Service-Nachschub gefahren werden muss – und das ist beim langjährigen Angebot der Landeseisenbahn eigentlich immer der Fall.
Über die Jahre wurde der Wagen mehrfach punktuell renoviert oder aufgearbeitet. Zwischenzeitlich trug er blauen Lack, seit 2010 war er jedoch wieder grün, damals in Eigenleistung.
In Ermangelung ausreichender Ersatzteile wurde der 2.-Klasse-Sitzbereich im Verlauf einer Hauptuntersuchung mit Sitzgestellen aus n-Wagen (den sog. “Silberlingen”) ausgerüstet, die zwar von den Abmessungen, nicht aber vom Design her in die vierachsigen Umbauwagen passen. Nicht zuletzt durch die Tischplatten fällt dieser Unterschied dem Fahrgast aber kaum auf.
Im Jahr 2022 erhielt auch der Halbgepäckwagen flaschengrünen Neulack außen und dazu einen Neuanstrich der Einstiegsinnenräume, wobei man sich statt für die mintgrüne DB-Originalfarbe für das bei der LEL bewährte warme elfenbeinbeige entschieden hat. Eine Reminiszenz an die alte Bundesbahn bieten seitdem aber die orangenen Türflügel, die Fahrgästen und Personal schon von Weitem die offenen Einstiege ankündigen.
Perspektivisch soll das Packabteil nochmals an die geänderten Bedürfnisse des Serviceteams angepasst werden, auch Ruheplätze und Gepäckablagen für das Personal sind hier nötig. Technisch bedarf es mittelfristig einer Überholung der Elektrik des ansonsten robusten und grundsoliden Reisezugwagens, der aus dem Betrieb der Landeseisenbahn für noch mindestens eine weitere HU-Periode nicht wegzudenken ist.
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Um diese weitere HU-Periode einzuläuten, begannen im Winter 2024/2025 unmittelbar nach den Nikolausfahrten umfangreiche Arbeiten am Fahrwerk des Umbauwagens. Für die Hauptuntersuchung müssen alle Teile der Bremsanlage demontiert, gereinigt, geprüft, gefettet und wieder zusammengesetzt werden, ebenso die Drehgestelle. Die Achsen benötigen eine Ultraschalluntersuchung, alle anderen Teile eine gründliche Überprüfung. Schwerste körperliche Arbeit für unsere Ehrenamtler, die aber immer wieder nötig ist, um den historischen Fuhrpark nach den immer mehr werdenden heutigen Vorschriften am Laufen halten zu können. Immerhin sind alle Teile massiv und allein die Drehgestelle tonnenschwer.
Mitte April 2025, pünktlich zu den Osterfahrten, konnte der Halbpackwagen wieder zusammengesetzt werden. Bis Mitte 2025 läuft die Frist noch, doch schon jetzt sind wesentliche Arbeiten erfolgreich erledigt. Weiteres steht im Innenraum an, insbesondere die Toilette hat Renovierungsbedarf. Durch die Inbetriebnahme des ÖBB-Abteilwagens stehen jedoch zwei zusätzliche geräumige WCs im Zug zur Verfügung, die auf den hoch frequentierten Fahrten genutzt werden können, sodass die Außerbetriebnahme im Halbpackwagen kaum auffallen dürfte.
Die Fortsetzung der HU-Arbeiten ist für die Sommerpause 2025 geplant. Bis dahin werden im laufenden Betrieb ein paar Verschleißerscheinungen behoben.