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Turmtriebwagen 701 119-0 in neuem Glanz

Dank tatkräftiger Unterstützung war die Hauptuntersuchung schnell erledigt

  • Er ist das Fahrzeug, welches den Fahrgästen üblicherweise verborgen bleibt. Er wird nicht vor jedem Regelfahrtag geputzt und dann wie frisch aus dem Ei gepellt in den historischen Zug der Landeseisenbahn Lippe (LEL) eingestellt. Seinen Dienst verrichtet er meistens samstags, mitunter auch mal in der Woche, und ist für die Oberleitungsmannschaft sowie die Gleisbaurotte ein stilles, zähes und unersetzliches Arbeitstier. Gemeint ist unser Turmverbrennungstriebwagen (TVT) 701 119-0.

  • Im Jahre 2005 konnte die LEL das in damals sehr gutem Zustand befindliche Fahrzeug von der DB zur musealen Unterhaltung übernehmen. Dabei spielte für den Verein auch die regionale Geschichte des TVT eine nicht unbedeutende Rolle, war das 1968 gebaute Fahrzeug doch den größten Teil seiner Dienstzeit in „Rufweite“ zum Extertal, nämlich im Hamelner Ringlokschuppen (Fahrleitungsmeisterei Hameln) und damit am damals östlichen Ende der nunmehr auch von der LEL betriebenen Begatalbahn, stationiert.

    Der Erwerb war ein Glücksgriff zur richtigen Zeit: Damals hatte die LEL gerade im Rahmen eines Kooperationsvertrages die Unterhaltungspflicht für das gesamte Streckennetz vom Infrastruktureigentümer Verkehrsbetriebe Extertal GmbH (vbe) übernommen – ein Tätigkeitsfeld, für das die damals allein vorhandene Köf und der Monheimer Revisions-Turmwagen mit Holzaufbau keine ernsthafte Alternative mehr sein konnten. So gelang es, mit Hilfe des neuen TVT und seiner Ausstattung, namentlich der großen Hubbühne und der Magirus-Leiter, die Fahrleitungsanlage der Extertalbahn trotz zunehmender Überalterung betriebsbereit zu halten und auf dem Streckenabschnitt nach Rinteln-Süd, dessen letzte Betriebstage im Jahr 2005 bereits absehbar waren, wichtige Ersatzteile zurückzubauen.

    Der große Geräteraum des neuen Triebwagens bot endlich eine angemessene Beherbergung von Personal und Werkzeug; der eingebaute Stromerzeuger konnte für jede Art von schwerer Streckenarbeit nutzbar gemacht werden. Die zwei geräumigen Führerstände und die großen Ladetüren ermöglichten endlich auch eine angenehmere Arbeit für das Betriebspersonal.

  • Doch harte Arbeit hinterlässt ihre Spuren und so war vom einst satten gelben Arbeitszug-Lack, den die DB dem Triebwagen in seinen letzten Einsatzjahren noch spendiert hatte, zum Schluss nur noch ein blasser Flickenteppich übrig. Insbesondere die schweren Grünschnitteinsätze hatten sich an Dach und Fensterscheiben „verewigt“. Der Geräteraum glich stellenweise eher einem Lager, denn über all die Jahre hatten sich dreimal so viele Werkzeuge in dem Wagen angesammelt wie überhaupt gleichzeitig hätten benutzt werden können. Die ständige Abstellung im Freien und die eher stiefmütterliche Pflege – die Regelfahrzeuge hatten angesichts der knappen Raum- und Personalsituation immer Vorrang – taten ein Übriges und schließlich machten verschiedene technische Ausfälle zum Ablauf der letzten Hauptuntersuchungsfrist im Februar 2015 dem Vorstand der LEL sehr deutlich, dass eine ausführliche Instandsetzung, quasi eine „Rundumerneuerung“ des Fahrzeugs mehr als überfällig war.

     

    Diese wurde dann auch ohne Zögern beschlossen und unmittelbar nach der Wiederinbetriebnahme der zuvor in jahrelanger Arbeit ebenso gründlich hauptuntersuchten Köf 6815 angepackt. Einmal mehr positiv bemerkbar machten sich hier die in den letzten Jahren aufgebauten Vernetzungen der LEL zu anderen Museumsbahnvereinen und weiteren Experten über die neue Mitgliedschaft im VDMT. So wurden wir über unseren neuen Partner, die Rhein-Sieg-Eisenbahn aus Bonn, an Günter Röling vermittelt. Ein wahrer Joker für uns, denn Günter hatte 40 Jahre im AW Dortmund TVT, VT 98 und Köf aller Baureihen gewartet und kennt diese Maschinen von A wie Ansaugschlauch bis Z wie Zylinderkopfdichtung in- und auswendig.

    Bereits im Sommer 2014 erfolgte ein erstes Treffen und „der Jünter“, wie unsere Aktiven ihn gleich ganz unkompliziert nennen durften, begutachtete den TVT und machte sich daran, die Schäden aufzunehmen, um sie im kommenden Frühjahr abarbeiten zu können. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Arbeiten an Achsen und Bremse legte er besonderes Augenmerk auf die Zylinderkopfdichtungen der Motoren und den Simmering des Getriebewandlers. Schon bei dieser Besichtigung machte sich das Fachwissen bezahlt, denn Günter erkannte manche Mängel auf den ersten Blick, die uns auch nach jahrelanger Nutzung des Fahrzeugs noch nie aufgefallen waren – und gab sofort Tipps zu ihrer zukünftigen Vermeidung.

In der Woche vom 23. bis zum 28. März 2015 waren dann die ersten Arbeiten am Triebwagen angesagt. Die vbe stellten ihr Werkstattgleis in der Bus- und Lkw-Werkstatt zur Verfügung, Günter hatte sein Kommen angekündigt und einige Aktive nahmen sich die ganze Woche Urlaub. Alles begann damit, die Bremsanlage zu zerlegen, zu reinigen und zu prüfen. Sämtliche Bremsventile wurden gewechselt. Parallel wurde am Getriebe und den Kühlwasserumwälzpumpen gearbeitet. Nach kurzer Absprache mit unserem Nachbarverein FERSt konnten wir auch noch ein dort gerade tätiges Fachunternehmen aus Hannover einbinden, sodass im selben Arbeitsgang auch die Achsen und Zughaken bereits der vorgeschriebenen Ultraschallprüfung unterzogen werden konnten.
Gleichzeitig begannen die ersten kosmetischen Arbeiten an dem Triebwagen. Mehrere alte Lackschichten und große Mengen an Spachtelmasse galt es, mit Hilfe von Exzenterschleifern bis auf das blanke Blech zu beseitigen, um eine vernünftige Grundlage für den geplanten neuen Anstrich zu schaffen. Auch konnten so endlich die Undichtigkeiten im Dach des Triebwagens von Grund auf ausgebessert werden. Viele Arbeitstage vieler Aktiver waren nötig, um die großen Flächen des Triebwagens sauber zu bearbeiten.
  • In den folgenden Wochen ging es Schritt für Schritt weiter. Das schöne Aprilwetter ließ die ersten Lackierarbeiten an der zum Teil zerlegten Hubbühne zu. Auch der Stromabnehmer, der zum Erden und Prüfen der Fahrleitung dient, glänzt seit Mitte Mai wieder in einem frischen Rot. Unter dem Triebwagen wurden die Hauptluftbehälter ausgebaut, um sie der erforderlichen Druckprüfung unterziehen zu können – eine Arbeit, die theoretisch natürlich möglich ist, sich aber unter den bescheidenen Bedingungen der Museumsbahnwerkstatt eher schwierig gestaltete und vollen Einsatz mehrerer Aktiver erforderte. Immerhin bestanden die Behälter die Prüfung anstandslos.

  • Im Juni, als das stabile Sommerwetter längere Arbeiten im Freien zuließ, wurden die Schleifarbeiten an der Außenhaut zum Abschluss gebracht und der gesamte Triebwagen mit Rostschutz grundiert. Neue Spachtelmasse sollte bewusst nicht mehr aufgetragen werden. Bei der DB war das Standard, um kleinere Blechschäden auszubessern, führte aber bei zunehmendem Alter der Spachtelmasse zu Abplatzungen und damit langfristig zu eindringender Feuchtigkeit und entsprechendem Rostfraß. Die LEL hat sich für eine unbehandelte Oberfläche entschieden: Lieber ein, zwei „originale“ Dellen im Blech als bereits im nächsten Winter wieder Abplatzungen im frischen Lack.

Bereits ab dem 17. August 2015 war dann der Endspurt angesagt! Günter hatte sich ein weiteres Mal angemeldet, um den technischen Teil der Hauptuntersuchung zum Abschluss bringen zu können und einige Aktive hatten passend noch Sommerurlaub. Die vbe stellten erneut das Werkstattgleis zur Verfügung und so wurden die Zylinderkopfdichtungen der beiden Motoranlagen erneuert und die übrigen relevanten Bremsbauteile wie etwa der Druckausgleicher gewechselt. Gleichzeitig wurde angesichts der wetterunabhängigen Arbeitsumgebung die Fertigstellung des Außenlacks vorangetrieben. In einem wahren Pinselmarathon erhielt der TVT binnen weniger Tage sein „neues altes“ Farbkleid, die Bundesbahn-Ursprungslackierung mit grauem Dach und karminrotem Wagenkasten mit Zierstreifen in elfenbein und schwarz abgesetztem Rahmen.
  • Direkt im Anschluss konnte die neue Betriebsbeschriftung angebracht werden und zum Ende der zweiten großen HU-Woche traf auch schon der Sachverständige ein, um den Triebwagen abzunehmen. Ein spannender Moment für die Aktiven, die seit Monaten intensiv an der Fertigstellung des Fahrzeuges gearbeitet hatten. Und die Mühe sollte sich gelohnt haben, denn am 27. August 2015 erhielt das treue Arbeitsgerät der LEL seine eisenbahntechnische Zulassung für die nächsten sechs Jahre!

  • In der Folgezeit wurden noch kleinere kosmetische Restarbeiten erledigt und der Geräteraum des TVT wieder mit den für die Arbeitseinsätze erforderlichen Werkzeugen bestückt – wobei nun aber verstärkt darauf geachtet werden soll, dass die Beladung übersichtlich und sinnvoll bleibt und sich nicht wieder, wie vor der HU, zu einem relativen Chaos wandelt. Mit den zahlreichen Tipps von Günter steht einem noch langen Leben des TVT im Einsatz bei der LEL nun nichts mehr entgegen.

  • Der Vorstand der LEL ist stolz auf diese Leistung seiner Aktiven und dankt allen Beteiligten für die geleistete Arbeit. Gerade im Vergleich zu den vorangegangenen Hauptuntersuchungen an Köf und E-Lok konnten die Fristarbeiten am TVT in geradezu rekordverdächtig kurzer Zeit durchgeführt werden. Mit dem neuen Farbkleid ist der Triebwagen nun auch endlich wieder „salonfähig“ und wurde dementsprechend gleich zum großen Jubiläums-Bahnhofsfest am 30. August 2015 in Alverdissen der Öffentlichkeit präsentiert.

    Besonderer Dank geht auch an Günter Röling für seine Zeit, Arbeitskraft und Expertise, sowie an die vbe für die unbürokratische Zurverfügungstellung des Werkstattgleises in der modernen Fahrzeughalle.

     

    Unserem runderneuerten TVT 701 119-0 wünschen wir allzeit gute Fahrt!

    [ Raphael und Golo Kahlert im September 2015 ]