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Der LEL-Wagenpark auf großer Fahrt

  • Es gibt Einleitungen, die lassen interessante Dinge erwarten. Mitte Juli war ich morgens zur Besprechung in der Halle meines Arbeitgebers, der Autogena Stahl GmbH, einem Brennbetrieb in Hannover. Selbige Halle war nagelneu bezogen worden, und mein Chef kam auf mich zu: “Herr Sievers, wir müssen uns da mal unterhalten. Haben Sie in Ihrem Museumsverein eigentlich auch eine Dampflok?” “Ja.” “Könnte die hier auch in die Halle fahren? Es ist nämlich so, wenn wir im September eröffnen wollen, möchten unsere Kollegen aus Duisburg von der Union gerne mit so einer Dampflok hier in die Halle reinfahren, über unseren Anschluss! Ich soll das organisieren, was in unserem Fall heißt, dass Sie das mal prüfen müssen.

    Na denn. “Herr Skär, wissen Sie eigentlich, was das kostet? Unsere Lok steht doch im Extertal, die müsste erstmal überführt werden, der Wagenzug dazu, und dann hat die Lok keine moderne Sicherungseinrichtung und keinen digitalen Zugfunk, den die DB jetzt vorschreibt – also mit ein paar hundert Euro Spende kommen wir nie im Leben zurecht” “Herr Sievers, prüfen Sie das erstmal”.

Das erste Gespräch führte ich mit Dr. Schröder, ob er überhaupt einer Überführung des Wagenzuges über die Begatalbahn zustimmen könne – und wenn ja, ob er in seiner Tätigkeit als Betriebsleiter der Mittelweserbahn hier einen Kontakt herstellen könne, da wir ja eine passende Diesellok für die Überführung benötigen würden. Die nächsten drei Telefonate führte ich mit unseren “verdächtigen Rentnern, ob sie für den Service im Zug bereitstehen würden. Denn da das Fest bereits für Freitag, den 12. September fest terminiert war, würde das für die meisten Vereinsaktiven Urlaub bedeuten, jedoch nicht für Waldtraut und Fritz Schneider, Cilly Hausdorf und Walter Bohne.

Schnell kam noch eine Erweiterung dazu: Warum eigentlich den Zug leer in Hannovers Dunstkreis holen? Wie kommen denn die Kollegen der UnionStahl an einem Freitag Nachmittag nach Hannover? Etwa per Bus über die Autobahn A2?! Da würde es doch viel mehr Sinn machen, die Kollegen in Duisburg einzuladen und die ganze Strecke mit dem Zug abzuholen, ohne Umsteigen. Wenn denn schon die Lok vorhanden ist – kostenmäßig wäre das kein echtes “Mehr. Weiterhin die Frage nach der Dampflok: Unser “Emil Mayrisch wäre auch bei langsamer Überführung nach Hannover keine ernstzunehmende Variante gewesen. Das Gespräch kam auf die DEW aus Rinteln, die könnten recht einfach von Rinteln nach Stadthagen kommen und ab dort übernehmen.

Blieb als letztes noch das Problem, dass unser Güterwagen als Aggregatträger vom Stromerzeuger im Juli Fristablauf hat und für diese Tour eine rechtzeitig abgeschlossene vollständige Hauptuntersuchung benötigen würde.

 

  • Anfang August waren alle Angebote geschrieben, Kosten ermittelt, Verpflegungswünsche ausgetauscht, Personal stand bereit, der Güterwagen war schon zerlegt. Der Auftrag kam! “Organisieren Sie das bitte, und bestellen Sie alles nötige.

    Jetzt ging es an die Feinplanung. Für die Duisburgfahrt kam ja nur eine Anreise bereits am Vortag in Frage – also spätestens Donnerstag abend nach Draisinenschluss im Extertal auf in Richtung Westen. Wo übernachten? Duisburg S-Bahn-Gruppe schien wenig vertrauenserweckend in Sachen Graffitisicherheit, und sollte zudem noch richtig ins Geld gehen: Abstellgebühr! Holger Schittko, der planerisch zuständige Disponent der Mittelweserbahn (MWB) funkte auf gleicher Wellenlänge: Warum nicht das Museum in Bochum-Dahlhausen? Von dort nach Duisburg wäre es nicht mehr weit.

    Wolfgang Osthues kam als nächster Begleiter ins Gespräch: Als Lotse für die Ruhrgebietsstrecken wäre er ideal. Wolfgang konnte mit Segen der MWB daher als zweiter Lokführer eingeplant werden, um die zu erwartende lange Schichtzeit mit Zweimannbesetzung umgehen zu können.

     

Mit den Kollegen der DEW galt es dann, den Fahrplan ab Stadthagen bis Hannover abzustimmen. Und nicht zu vergessen: Auch die Kollegen der Städtische Häfen Hannover, deren Hafenbahn zu befahren war, mussten noch mit ins Boot. Ein Hafenbahn-Lotse musste her, sowie eine Sondererlaubnis, dass unser Sonderzug die eigentlich nur als Güterbahn zugelassenen Hafengleise befahren dürfte.

Anfang September stand dann endlich alles, sogar der Güterwagen näherte sich dank Gisbert Herrmanns unermüdlicher Arbeit der Fertigstellung – mit Neulack.

Am Mittwoch, dem 10. September, war es dann soweit. Während wir in Bösingfeld die neue Beschriftung am Güterwagen anbrachten und Wasser auf die Wagentanks füllten, kam die Mittelweserbahn-Diesellok 1354 (ex DB-BR 213, also BR 212 mit hydrodynamischer Bremse) gegen 19 Uhr nach Lemgo. Dort übernachtete auch Lokführer Holger Schittko. Am Donnerstagmorgen war um 7:00 Uhr in Lemgo auch für die LEL-Betriebspersonale Dienstbeginn. Es galt, die Lok als Lz nach Bösingfeld zu fahren. Hier wurden unsere Wagen angekuppelt. Anschließend führte die Fahrt über Lemgo, wo die Servicepersonale zustiegen, und Lage/Lippe nach Herford. Hier Fahrtrichtungswechsel, und in schneller Fahrt über Bielefeld – Gütersloh – Hamm – Hagen nach Wengern-Ost. Von hier fuhren wir über die Ruhrtalbahn, die Museumsstrecke der Dahlhausener, mit Fotohalt an der Ruine Hartenstein, weiter. Anschließend ging es direkt nach Bochum-Dahlhausen ins Museumsgelände.

  • Am Freitag war um 8:30 Uhr Dienstbeginn. Lokomotive anwerfen, Luft auffüllen, Steckdose trennen. Dann das erste Malheur: Walter Bohne stellt entgeistert fest, daß die mitgelieferte Kohlensäureflasche der Bierzapfanlage leer ist – und das drei Stunden vor der Abfahrt in Duisburg, mitten im Ruhrgebiet. Zwei hektische Telefonate mit Frau Mähne von UnionStahl, dann die Entwarnung: Der Partyservice in Duisburg kann helfen.

    Die Fahrt führte zum Vorbahnhof Duisburg, wo sonst die S-Bahnen gereinigt werden. Hier gab es Diesel für unsere Lok und der Proviant für unsere Fahrgäste wurde gebunkert, mitsamt der wertvollen Kohlensäure. Dann wurde bei bestem Schimanskiwetter pünktlich in die Bahnhofshalle vom Hauptbahnhof Duisburg eingerückt. Gleis 10, zehn Minuten vor Abfahrt. Sogar der Zugzielanzeiger schrieb unsere Fahrt an. Sektempfang am Bahnsteig, Verladen der Gepäckstücke im Packabteil, Raucher nach vorne – drei Minuten vor Abfahrzeit waren wir bereit. Eine junge Dame, die nicht zur Gesellschaft gehörte, stieg gedankenverloren in den Zug ein, der recht schnell aber doch irgendwie anders aussah als der gewohnte Regionalexpress nach Hamm.

Um 12:30 war Abfahrt – pünktlich mit “Zeigersprung. Nun ging die Jagd nach Minuten los. Fix wurde der Zug auf 100 km/h beschleunigt und es ging quer durch das Ruhrgebiet. Beeindruckend war die Fahrt mit voller Geschwindigkeit durch den Gelsenkirchener Hbf. Wir lagen so gut in der Zeit, daß wir zweimal “gestutzt wurden – schneller durchgekommen als im Fahrplan vorgesehen, waren zwei Signale noch rot und wir mussten herunterbremsen, bevor sie auf “Fahrt umsprangen.

Die Stimmung im Zug war prächtig. Nach dem “Prickelwasser zur Begrüßung tischten Cilly, Waltraud und Krystyna die Schnittchen als Mittagshäppchen auf, dazu kalte Getränke oder, wer wollte, Walters frischen Bohnenkaffee. Gisbert kam derweil als Gläser-Spülhilfe mächtig ins Schwitzen, da der Zug bei hohem Tempo in den Weichen arg ins Wackeln kam. Aber, Hut ab: Scherben gab es keine.

Nächster Halt war Hamm/Westfalen. Hier kamen wir zwar pünktlich an, aber die Abfahrt verzögerte sich, weil ein Intercity Verspätung hatte. Mit nun zehn Minuten “plus ging es für uns in rasanter Fahrt weiter. Über die sogenannte Güterbahn bis Bielefeld-Brackwede. Hier wechselten wir auf die Personenbahngleise und donnerten ebenfalls mit knapp 100 km/h durch den Bielefelder Hbf.

Zwischen Porta Westfalica und Minden kam zwar die Sonne durch die Wolken (und sollte uns bis Hannover nicht mehr verlassen), aber nach einer weiteren Überholung durch einen Intercity und eine S-Bahn hatten wir schon zwanzig Minuten plus gemacht. Weiter ging es in langsamer Fahrt durch die Großbaustelle Bahnhof Löhne nach Stadthagen, wo wir auf ein Gütergleis eingelassen und von der 52 8038 der DEW erwartet wurden.

 

  • Es dauerte die vorgesehenen zwanzig Minuten, die Diesellok an den Zugschluss zu rangieren und die Dampflok an der Spitze anzukuppeln. Dann auf zur letzten Etappe – nach Hannover. Bis Wunstorf liegt der nur zweigleisige Abschnitt, wo beide Maschinen sich ins Zeug legten, schnell die Strecke frei zu machen. Bei Haste kommt uns ein ICE mit grüßender Hupe entgegen. Auf dem Betriebsbahnhof Hainholz in Hannover dann planmäßiger Halt und Fahrtrichtungswechsel auf die “Hasenbahn Richtung Langenhagen – Hamburg. Aber nur zwei S-Bahn-Stationen weit bis zum Übergabebahnhof Vinnhorst. Hier spektakulärer Halt mitten auf der Autobahnbrücke über die A2 – und nochmals die Fahrtrichtung gewechselt, Dampflok voraus auf die Hafenbahngleise.

    Mit schlussendlich dreißig Minuten Verspätung erreichen wir also kurz nach halb sechs Vinnhorst und haben noch rund 700 m Gleis vor uns. Aber, Malheur Nummer zwei: Der Fahrdienstleiter Langenhagen lässt uns glatt in das falsche Gleis einfahren. Mit Glück klappt es im ersten Versuch, den Zug zu umfahren, ohne nach Hainholz zurück zu müssen: Unser Zug ist einen halben Meter kürzer als das Prellbockgleis am Bahnhofsende und wir können von oben her umrangieren. Mit dem Hafenbahnrangierer als Lotsen fahren wir die Rampe hinunter, am Bahnübergang Industrieweg stehen gleich zwei zusätzliche Posten, und die Weiche liegt passend zur Einfahrt in die Halle. Hier großer Bahnhof, denn kurz vor sechs sind alle Gäste bereits da und unser Zug hat seinen großen Auftritt.

     

Nach einem Aufenthalt sowie Wassernehmen für die Dampflok führte uns der Weg auf der gleichen Strecke zurück. Aus unerklärlichen Gründen hatte der technische Leiter der DEW bestimmt, dass die 52 nur mit 50 km/h rückwärts zu ziehen war. Dadurch wurde unsere Verspätung bis Stadthagen auf rund eine Stunde vergrößert. Nun kam es zu einem Oberleitungsschaden auf dem Teilstück Porta Westfalica – Minden. Nach kurzer Zeit wurden wir bis Minden durchgelassen und wir bekamen von der Betriebszentrale in Hannover über Zugbahnfunk die Anfrage, ob wir mit unserer Diesellok einen IC aus dem stromlosen Abschnitt direkt im Bahnhof Porta Westfalica ziehen könnten. Wir konnten!

Allerdings wiesen wir die Bz darauf hin, dass wir schnell ins Lipperland müssten, da sonst die Strecke nicht mehr besetzt ist. Der Fahrdienstleiter in Bösingfeld hat planmäßig um 21:15 Uhr Dienstschluss. Die Bz sicherte uns Hilfe zu. Im Nu waren die Waggons im Güterbahnhof Minden abgekuppelt, und die Fahrt mit Hilfszugnummer konnte starten. Nach ein paar Rangierbewegungen im Bahnhof Porta standen wir vor dem IC 147 nach Berlin. Dann wurde unsere Lok auf den kleinen Gang umgeschaltet und schon leuchtete Zs 1 auf: Abfahrt! Nach kurzer Fahrt erreichten wir Gleis 1 im Bahnhof Minden. Der Intercity konnte die Fahrt nach Berlin mit gut 90 Minuten Verspätung fortsetzen. Wir waren hingegen bei etwas mehr als 120 Minuten “plus. Unser Zug wird abfahrbereit gemeldet. Da meldete sich die Bz nochmals und bedankte sich für die schnelle Hilfe und sicherte uns “grüne Welle zu.In der Tat kamen wir bis Lage/Lippe nicht mehr zum Halten. Auch dort wechselte das Ausfahrsignal schnell auf Fahrt und um Mitternacht erreichten wir Lemgo. Dort das persönliche Gepäck ausgeladen und den Zug nach Gleis 3 zur Nachtruhe wegrangiert.

Samstag wurde der Leerzug dann nach Bösingfeld zurück gebracht. Der Empfang durch die übrigen Aktiven war herzlich. Auch die so spät ins Bett gekommenen Serviceengel waren am frühen Mittag wieder zur Stelle; der Zug wollte gereinigt werden. Mit drei Mann begleiteten wir die Lok noch bis Lage/Lippe. Holger Schittko musste die Lok noch bis Kassel zum nächsten Einsatz überführen.

Unsere Wagen haben die fast 600 km lange Tour über drei Tage schadlos überstanden. Für den Rest des Jahres stand nur noch der “ruhige Dienst auf der Museumsbahn an.

Matthias Sievers,
Ralf Maritschnigg